Als mich Fr.Schulz aus dem Wegbegleiter-Redaktionsteam anfragte, ob ich nicht etwas zum Thema „Netzwerk und Kooperationen“ schreiben wolle,
nahmen ziemlich schnell zwei Gedanken Raum ein: „Puh- schwieriges und oft wenig befriedigendes Thema“, als auch „Ja, das ist so wichtig und müsste viel mehr gepflegt werden können“.
Hospizarbeit ohne Netzwerk ist kaum vorstellbar. Alle Akteur:innen bringen ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten ein, um schwerstkranken, sterbenden Menschen, deren Umfeld und Trauernden in dieser intensiven und fordernden Zeit zur Seite zu stehen. Da gibt es Ärzte, Pflegedienste, SAPV-Teams (Spezialisierte Ambulante Palliativ Versorgung), Beratungsstellen, Pflegestützpunkte, Krankenhäuser, Pflegeheime, Palliativstationen, Hospize, ethische Fallbesprechungsmöglichkeiten und natürlich uns, die ambulanten Hospizdienste. Im weiteren, ohne direkten Bezug und dennoch wichtig, „Runde Tische“ in Kommunen, Sozialraumgespräche und ähnliches, um Angebote der Region kennenzulernen, Entwicklungen abzusehen und Kontakte zu knüpfen.
Meine Erfahrung ist, dass Netzwerk von persönlichen Kontakten lebt, welche gepflegt werden wollen und müssen.
Am Beispiel unserer Hospizgruppe (Ambulante Hospizgruppe Bruchsal und Umgebung) kann ich ein wenig darüber erzählen, wie sich Kooperationen gestalten. Als ich Anfang 2020 als Koordinatorin die Pflege unserer Kooperationsheime übernommen habe, hatten wir etliche bestehende Kooperationsverträge. Unser Zuständigkeitsgebiet im nördlichen Landkreis Karlsruhe ist relativ groß, etwa 40 km im Durchmesser. Diese Kooperationen zu hegen erfordert viel Zeit und Engagement. Bei meinen Antrittsbesuchen zeigte sich, wie in der Pflege üblich, ein häufiger Personalwechsel. Dies bringt leider mit sich, dass bei Kontaktbesuchen oft wieder von vorne begonnen werden muss, gewachsene Beziehungen nicht mehr bestehen. Entstehen und Entwickeln einer vertrauensvollen Zusammenarbeit werden dadurch erheblich erschwert. Darüber hinaus erlebte ich aber auch viel Interesse, es wurden Ideen entwickelt und man verständigte sich auf ein verlässliches Miteinander.
Eine noch recht frische Kooperation war die mit der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten e.V., einer Einrichtung für Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung. Wir begleiteten sterbende Erwachsene im Wohnheim, machten Trauer-Einzelgespräche und boten eine monatliche Trauergruppe an, welche sehr gerne angenommen wurde. Mit der Zeit zeigte sich, dass die Anbindung der Trauergruppe an die Werkstatt nicht optimal war und wir überlegten innerhalb der Einrichtung neue Möglichkeiten.
Tja, und dann kam Corona.
Während der Lockdowns gab es aus keinem unserer Kooperationsheime Anfragen, gleichwohl es für Sterbebegleitungen möglich gewesen wäre. Es bereitete uns große Sorgen, wie die Menschen in jenen Tagen verstarben- unabhängig von Corona. Hinzu kam, dass in dieser Zeit, aus verständlichen Gründen, nur wenige Ehrenamtliche für Begleitungen zur Verfügung standen. In den Zeiten der Entspannung nahmen Anfragen, wenn auch noch sehr verhalten, wieder zu. Dennoch war und ist eine große Vorsicht und Unsicherheit spürbar.
Heute stehen wir praktisch wieder am Anfang- erneut wird es in nächster Zeit darum gehen, Kontakte aufzunehmen, zu erneuern, zu pflegen.
Doch auch schon vor Corona galten unsere Überlegungen dem Thema, was eine lebendige Kooperation ausmacht. Nicht selten hatten wir den Eindruck, dass die Kooperationsbeziehung recht einseitig gelebt wird. Zwar brauchen Heime und Palliativärzte den Kooperationsvertrag zum Nachweis ihrer Zusammenarbeit mit einem Hospizdienst, doch leider haben wir ein gutes Miteinander häufig vermisst. Manchmal entstand der Eindruck, dass das Unterzeichnen eines Kooperationsvertrages das eigentliche Ziel war, weniger die Zusammenarbeit. Aus dieser Erfahrung heraus werden wir in Zukunft vor der entsprechenden Schließung eines Vertrages eine Art „Probezeit“ einführen. Je nach Situation wird ½ – 1 Jahr geprüft, wie das Miteinander lebt, es wirklich beiderseitiges Interesse an einer Zusammenarbeit gibt. Sollte sich dies zeigen, steht einer Unterzeichnung nichts mehr im Wege.
Vielleicht sollten wir auch bei den bestehenden Verträgen prüfen, ob eine echte Zusammenarbeit wirklich möglich ist.
Was macht für uns ein fruchtbares Miteinander aus?
Von einer Kooperation erwarten wir ein offenes, konstruktives Zusammenspiel unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten. Die Partner haben unterschiedliche Aufgaben und Schwerpunkte- hier gilt es, die Strukturen kennen und verstehen zu lernen. Der gemeinsame Blick auf sterbende Menschen, ihre Bedürfnisse und Wünsche, sowie sich daraus entwickelnde Leitlinien bilden das Fundament einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Als Hospizdienst wünschen wir uns eine Ansprechperson im Haus, regelmäßige Besprechungen, wertschätzende Begegnungen und Kommunikation, zeitnahe Informationen über Veränderungen bei Betroffenen. Gerne schulen wir Mitarbeitende zu palliativen Themen, informieren Betroffene und deren Angehörige über Unterstützungsmöglichkeiten in der Region und bieten „Letzte Hilfe Seminare“ im Haus an. Da es in unserem großen Verbreitungsgebiet mit vielen Kooperationsverträgen für die Koordination allein kaum möglich ist, engen Kontakt zu halten, beginnen wir mit ehrenamtlichen Heim-Patenschaften. Dies bedeutet, dass wohnortnahe Ehrenamtliche regelmäßig Kontakt zu den Abteilungen halten und so niederschwellig erste Ansprechpersonen für Betroffene, deren Angehörige und die Mitarbeitenden sein können.
Braucht eine gute Zusammenarbeit dringend einen Kooperationsvertrag?
Eindeutig „nein“. Wir pflegen auch ohne Kooperationsvertrag bereichernde Kontakte zu SAPV-Teams, dem ansässigen Krankenhaus und anderen.
Es freut uns sehr, wenn in Pflegeheimen zunehmend palliative Konzepte entwickelt und – Kompetenzen gestärkt werden. Der gesellschaftliche Wandel bringt es schon jetzt mit sich, dass viele Ältere nicht mehr in der eigenen Häuslichkeit leben können, in betreutes Wohnen oder stationäre Einrichtungen umziehen (müssen). Bereits vor Corona hatte sich abgezeichnet, dass der Bedarf an Sterbebegleitung zuhause sinkt, in den Heimen aber steigt. Dies alles spricht für eine noch engere Zusammenarbeit mit uns Hospizdiensten. Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zu den Pflege- und Betreuungskräften, sondern als ein Teil des Netzwerkes- zum Wohle der Betroffenen und deren Umfeld in einer sehr intensiven Lebensphase.
Schlussendlich geht es einfach darum, den Menschen auf verschiedenen Ebenen und mit vielen Aktiven, ein „Leben bis zum Schluss“ zu ermöglichen- mit oder ohne Kooperationsvertrag.
Text: Ulrike Fank-Klett
Bild: Claudia Leitloff